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Demokratie in Gefahr? Wissenschaftliche Perspektiven im Podcast

 
11. November 2021
  • 11. KupoBuko

Wie ist es um den „Zustand der Demokratie“ im Jahr 2021 bestellt? Um diese Frage geht es in der ersten Folge einer neuen Podcast-Serie der Fachzeitschrift „Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ)“ der Bundeszentrale für politische Bildung. Die Klagen über den Zustand der Demokratie häufen sich, der weltweite Trend geht Demokratieforscher*innen zufolge in den letzten zehn bis zwanzig Jahren deutlich in Richtung Autokratisierung. Und auch in Deutschland gibt es Probleme mit der Demokratie.

Im Podcast kommen mehrere Wissenschaftler*innen zu Wort, zum Beispiel Vanessa Boese, die zeigt, wie man Demokratie messen kann und welche positiven Auswirkungen ein hoher Grad an Demokratisierung hat. Demokratie habe nämlich nicht nur einen ideellen Wert, sie wirkt sich auch positiv auf die friedliche Konfliktlösung, die wirtschaftliche Entwicklung, die Gesundheitsversorgung und die Lebensverhältnisse der Menschen aus. Boese räumt außerdem mit dem Mythos auf, autokratische Regime seien besser durch die Corona-Pandemie gekommen.

Wie ist es in Deutschland um die Demokratie bestellt?

Deutschland schneidet im wissenschaftlichen Vergleich recht gut ab und gehört zu den stabilsten Demokratien der Welt, doch auch hier gibt es Probleme. Dies betrifft zum Beispiel die Verrohung und Polarisierung der politischen Debattenkultur, aber auch die mangelnde Fähigkeit des Staates, Journalist*innen vor gewalttätigen Übergriffen zu schützen und das Anwachsen des Rechtspopulismus. Wolfgang Merkel spricht zudem von „neuen Krisen“, mit denen die Demokratie zu kämpfen habe – dazu zählt er die zunehmende Migration, den Klimawandel und die Sars-Cov2-Pandemie, auf die es bisher „keine demokratieangemessenen Antworten“ gäbe. Solche Krisen führen dazu, dass das Verhältnis von Demokratie, Freiheit und Grundrechten derzeit neu verhandelt wird.  Angesichts der multiplen Krisen der Spätmoderne sei eine „Verwissenschaftlichung der Politik“ allein nicht zielführend, so Merkel. Er betont, dass Demokratie Zeit, Pluralismus und Dissidenz brauche.

Gibt es rote Linien im demokratischen Diskurs?

Wir sollen also auch mit Menschen im Gespräch bleiben, die eine gänzlich andere Meinung vertreten als wir.  Doch wo kann oder muss man eine Grenze ziehen innerhalb des demokratischen Diskurses? Wem lässt man Raum, seine unter Umständen auch kruden Theorien und Meinungen zu verbreiten? Dazu gibt es im Podcast einen Tipp von Jan-Werner Müller. Der Politikwissenschaftler sagt, eine Debatte müsse sachlich bleiben. Wenn Gesprächspartner*innen unhaltbare Verschwörungstheorien wie etwa den von der Regierung Merkel geplanten „Austausch der Deutschen durch Syrer“ äußerten, müsse man dagegenhalten, die rote Linie aufzeigen und das Argument ausschließen – aber nicht unbedingt die Person. Solche Grenzen der Sachlichkeit in politischen Auseinandersetzungen liegen zum Beispiel vor, wenn Gesetze verletzt werden, oder wenn bewusst falsche Tatsachen oder Gerüchte verbreitet werden, deren Wahrheitsgehalt nicht geprüft wurde.

Wie kann man dem Repräsentationsproblem begegnen?

Ein weiteres Problem, vor dem die Demokratie in Deutschland steht, ist ihre Repräsentationskrise. Zum einen können Parteien sich nicht mehr auf eine treue Stammwählerschaft verlassen, zum anderen wachsen Protestbewegungen auf der Straße, die wie Fridays For Future oder Black Lives Matter außerparlamentarisch agieren. Viele Protestierende eint das Gefühl, nicht mehr von der Politik vertreten zu werden. Man kann von einer zunehmenden Kluft zwischen Regierenden und Regierten sprechen. Patrizia Nanz stellt im Podcast das Modell der Bürgerräte vor, die im Kleinen die Bevölkerung repräsentativ abbilden und die eine beratende Funktion für die Politiker*innen haben. Sie wünscht sich, dass solche Bürgerräte regelhaft im politischen System verankert werden, sozusagen als vierte Gewalt: Die Konsultative.

Über den Podcast

Der 30-minütige Podcast erschien Anfang November 2021 erstmals als Zusatzangebot der renommierten Fachzeitschrift „Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ)“ der Bundeszentrale für politische Bildung. Die „APuZ“ erscheint als Beilage der Wochenzeitung „Das Parlament, ist online auf www.bpb.de zu lesen und dort auch als Printausgabe bestellbar. Wöchentlich wird in der „APuZ“ ein Thema aus verschiedenen Perspektiven kontrovers in wissenschaftlich fundierten Artikeln beleuchtet. Die Podcast-Folgen greifen jeweils ein Ausgabenthema auf und lassen Autor*innen zu Wort kommen. So werden die wichtigsten Thesen und Erkenntnisse auf den Punkt gebracht. Die nächste Folge erscheint Anfang Dezember 2021 zum Thema Verschwörungstheorien. Der Podcast entsteht in Zusammenarbeit der „APuZ“-Redaktion mit dem Podcast-Label hauseins und wird moderiert von Holger Klein.

Expert*innen im Podcast:

Dr. Vanessa A. Boese ist promovierte Ökonomin und Senior Research Fellow am Varieties of Democracy Institute an der Universität Göteborg; Prof. Dr. Wolfgang Merkel ist Professor (em.) für Politikwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin und Direktor (em.) der Abteilung Demokratie und Demokratisierung am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB);
Prof. Dr. Jan-Werner Müller ist Roger Williams Straus Professor of Social Sciences an der Princeton University und derzeit Senior Fellow am Exzellenzcluster „Contestations of the Liberal Script“ in Berlin; Patrizia Nanz ist Vizepräsidentin des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) und Ko-Direktorin des Deutsch-Französischen Zukunftswerks; Sprecher ist der Journalist Holger Klein. 

Zur besprochenen Podcast-Folge geht es hier: http://www.bpb.de/342995

Die Podcasts sind auf allen gängigen Plattformen sowie auf www.bpb.de/342471 verfügbar.

Zur APuZ-Ausgabe „Zustand der Demokratie“ mit ausführlichen Artikeln, die weitere Perspektiven auf das Thema eröffnen, geht es hier: www.bpb.de/apuz/zustand-der-demokratie-2021/