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Stadtlabor. Vielstimmigkeit im Museum

 
17. November 2021
  • 11. KupoBuko

Zeig mir Dein Frankfurt – unter diesem Motto entwickelt das Historische Museum Frankfurt seit 2010 im Stadtlabor co-kreativ mit Bürger*innen Ausstellungen und das Online-Projekt Stadtlabor Digital.

Das Stadtlabor lädt Bürger*innen ein, ihre vielfältigen Ideen, Erfahrungen, ihr Wissen und ihre Sichtweisen in die Entstehung von Ausstellungen und digitalen Projekten einzubringen. Das multiperspektivisch und partizipativ angelegte Stadtlabor ist ein Weg des Museums, neue Zielgruppen zu erreichen und einzubinden. Gleichzeitig ist es ein kultureller Beitrag gegen Polarisierungstendenzen in der Gesellschaft, denn es verweist einerseits auf die Vielfalt der Meinungen und Hintergründe der Frankfurter Bürger*innen, und gleichzeitig auf das, was alle teilen: ihre Stadt. Doch es gibt auch Fallstricke.

Blickwinkel der Bürger*innen im Mittelpunkt

Die Idee: Die Frankfurter*innen sind die Expert*innen ihrer Stadt. Ihr Wissen und ihre Ideen sollen sichtbar gemacht werden. Sie können einander kennenlernen, miteinander ins Gespräch kommen, und ihre Stadt mit anderen Augen sehen. Die Stadtlabor-Ausstellungen fanden in den ersten Jahren an verschiedenen Orten in der Stadt außerhalb des Museums statt. Seit 2017 werden sie im Museum und auf der Webseite präsentiert. Aktuelle Projekte sind etwa die Audiotour „Die Stadt und das Grün – Gärtnern Jetzt!“ oder der Online-Rundgang „Ich sehe was, was Du nicht siehst – Rassismus, Widerstand und Empowerment“.

Die nächste Stadtlabor-Ausstellung „Spurensuche im Heute“ wird am 8. Dezember 2021 im Museum eröffnet und zeigt Spuren des Nationalsozialismus in Frankfurt am Main. Das Team setzte sich mit zeitgemäßen Formen von Erinnerungsarbeit in einer vielfältigen Gesellschaft auseinander.

»Wir wollten ganz konkret ausprobieren, was es bedeutet, wenn ein heutiges, sehr diverses Erinnerungskollektiv sich mit der NS-Geschichte beschäftigt.«
Platzhalter Portrait
Dr. Angela Jannelli, Kuratorin am Historischen Museum Frankfurt

Dafür haben 38 diverse Frankfurter*innen persönliche Beiträge entwickelt, die ihre individuellen und subjektiven Zugänge zur NS-Geschichte zeigen – über Orte, Ereignisse, Personen oder Situationen. Neben der Auseinandersetzung mit aktuellen Fragen zur Erinnerungskultur setzt die Ausstellung auch ein Zeichen gegen das Vergessen und Verschweigen der NS-Verbrechen, und gegen deren Relativierung, Kleinreden oder gar Leugnung, zum Beispiel durch rechtsextreme Akteur*innen.

Interaktive Online-Karte: Stadtlabor Digital

Das partizipative Konzept hat auch ein Pendant in der digitalen Welt. Das Stadtlabor Digital umfasst eine digitale Karte der Stadt, die die User*innen mit ihrem Wissen gestalten. Sie können Beiträge in Form von Audio-, Video-, Bilddateien oder Texten erstellen, hochladen und mit einem Ort verknüpfen, und sie mit der Community teilen. Die Beiträge werden von Mitarbeiter*innen des Museums gesichtet und freigeschaltet.

Es geht beim Stadtlabor Digital darum, Erfahrungswissen, persönliche Geschichten, besondere Beziehungen zu bestimmten Orten und verschiedene Nutzungsweisen der Stadt zu zeigen. So wird die Vielstimmigkeit der Stadtgesellschaft deutlich und neue Perspektiven werden eröffnet.

Die wachsende, kollaborative Sammlung von ortsspezifischem Frankfurt-Wissen ist jederzeit online zugänglich. Eine wechselnde Auswahl der Beiträge wird auch in der Dauerausstellung „Frankfurt Jetzt!“ im Museum gezeigt.

Partizipative Entwicklungsarbeit mit Hürden

Die Plattform Stadtlabor Digital entstand in einem mehrstufigen partizipativen Entwicklungsprozess seit 2017. Dabei arbeitete das Museum mit externen Medienexpert*innen zusammen. Um die Frankfurter*innen zum Mitmachen anzuregen, gab es aktivierende Formate wie Workshops und Einführungen und es wurde gezielt daran gearbeitet, Netzwerke aufzubauen. Dies erforderte am Anfang viel Zeit – und es war und ist nicht immer leicht, die Leute für eine längerfristige Mitarbeit zu motivieren.

Die Gruppe der Beteiligten an solchen Partizipationsprojekten werde im Verlauf der Arbeit immer kleiner und beschränke sich dann in der Regel auf einige wenige, die letztlich bereit seien, die Zeit aufzuwenden und die über die entsprechenden technischen Mittel verfügen, sagt die ehemalige Projektleiterin Franziska Mucha. Anfangs habe man stark aus der Museumslogik von innen nach außen gedacht.  Man müsse aber auch die Fragen stellen, was die Menschen draußen eigentlich interessiert, was an ihren Alltag anknüpft und wie mit Hilfe von digitalen Tools umfassendere Partizipation ermöglicht werden kann, so Franziska Mucha.

Viele neue Beiträge im Corona-Lockdown

An unmittelbare Bedürfnisse der Bürger*innen konnte das Stadtlabor Digital in der Zeit des ersten Lockdowns der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 anknüpfen. Das Museum rief über verschiedene Medien die Frankfurter*innen dazu auf, die digitale Karte der Stadt mit neuen Inhalten zu füllen. Diesem Aufruf folgten Viele, es wurden Bilder von leeren Straßen und Supermarktregalen, von leeren Kitas und dem flugzeugleeren und strahlend blauen Himmel über Frankfurt hochgeladen. Das Stadtlabor Digital gab den Frankfurter*innen die Möglichkeit, eigene Erfahrungen und Eindrücke festzuhalten und mit anderen zu teilen. Es traf damit einen Nerv und das Bedürfnis nach Mitteilung und Austausch in der Zeit stark eingeschränkter physischer sozialer Kontakte. Dabei bildete der Bezug zur eigenen Stadt eine Besonderheit gegenüber den anderen Sozialen Medien.

Weitere Informationen:

Historisches Museum Frankfurt: Stadtlabor
Stadtlabor Digital: https://stadtlabor-digital.de/stadtlabor-digital
Co-Kreatives Crowdsourcing: Stadtlabor Digital und Coding DaVinci: www.bpb.de/334793